wissenschaft@phw - 02/2022
Kongress in Melilla, Spanien:
Migration hautnah erleben
Im März fand der internationale Kongress „Migrant identities and cross-border dialogues“ in der spanischen Exklave Melilla an der nordafrikanischen Küste statt. Organisatoren waren die Universidad de Granada sowie das CQP (Center for Qualitative Psychology). Der CQP zielt darauf ab, qualitative Forschungsmethoden in der Sozialforschung, insbesondere in der Psychologie, weiterzuentwickeln und zu unterstützen. Es werden internationale Kongresse für Wissenschaftler:innen und Didaktiker:nnen organisiert, mit dem Zweck, sich zu vernetzen, Expertisen zu vertiefen und sich in der internationalen Zusammenarbeit zu engagieren.
Dieses Jahr wurde auch das 20-jährige Jubiläum des Centers gefeiert, coronabedingt zwei Jahre verspätet. Die PH Weingarten ist seit vielen Jahren mit dem CQP durch die Rektorin Professorin Dr. Karin Schweizer und Roswitha Klepser, ehemalige Geschäftsführerin der AWW, die sich in der Vorstandschaft bis 2019 engagierten, eng verbunden. Aktuell führen spanische Wissenschaftler:innen die Geschäfte.
„Team Germany“ war in Melilla neben Roswitha Klepser vertreten durch Dr. Kristin Rheinwald und Dr. Monica Bravo Granström als PH-Repräsentantinnen sowie Dozent:innen der Volkshochschule (VHS), darunter auch Doris Dietrich, Lehrbeauftragte der AWW. Die AWW steht mit dem VHS-Verband-Baden-Württemberg auf unterschiedlichen Ebenen im kollegialen Austausch. Die Bildungsreise nach Melilla wurde durch Erasmus+ (VHS Verband BW) finanziert.
Beim Kongress wurden vom Team Germany das IGEL Programm als good practice wie auch das FIER-Projekt vorgestellt, welches von der PH/AWW wissenschaftlich begleitet wurde (weitere Informationen hier). Zudem erläuterte Herr Simon Plebst (Lehramtsstudent/Sekundarstufe der PHW) wertvolle Ergebnisse seiner Masterarbeit „Qualitative Videoanalyse einer Lernstandskontrolle – eine Untersuchung der Effektivität von Erstorientierungskursen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit unklarer Bleibeperspektive“. Die Forschungsarbeit ist in einer neuen Handreichung der EOK (Erstorientierungskurse) verortet. Diese wurde im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entwickelt, erprobt und evaluiert. Die Projektleitung hatte der VHS-Verband BW, mitgearbeitet haben unter anderem Klepser und Dietrich. Für seine hervorragende Forschungsarbeit wurde Plebst mit einem Stipendium durch das CQP ausgezeichnet.
Neben den Beiträgen und dem Austausch während des dreitägigen Kongresses hatten die Teilnehmenden auch die Möglichkeit, Migration unmittelbar zu erleben. Melilla mit seinem rund 87.000 Einwohnerinnen und Einwohnern bildet als eine von zwei spanischen Exklaven in Nordafrika einen Teil der europäischen Außengrenze und teilt sich eine Landesgrenze mit Marokko. Weil Geflüchtete immer wieder versuchen, die hohen Grenzzäune zu überwinden, geraten die beiden spanischen Exklaven regelmäßig in die Schlagzeilen. Die zwölf Kilometer lange Grenze zum Festland ist durch mehrfache und bis zu sechs Meter hohe Zäune und Wachtürme gesichert. Im März 2020 schloss zudem das Königreich Marokko pandemiebedingt die Landesgrenzen für den Personen- und Frachtverkehr. Zugleich ist es derzeit auch für spanische Bürger:innen äußerst schwierig, die Exklave in Richtung Marokko zu verlassen. Die Tageszeitung El País berichtete, dass es den Einwohnern „auf das Gemüt drückt“, nicht nach Marokko fahren zu können, um dort zu wandern oder an die Strände und in die Medinas zu gehen.
Während des Kongresses fand gleichzeitig in Melilla der größte Salto (Sprung) seit der Einrichtung der Zäune in 2005 statt: 2500 Personen versuchten an einem Tag die Zäune zu überwinden, 500 sollen es geschafft haben. Auch in den folgenden Tagen kamen es zu weiteren Versuchen.
Als Teil des Kongresses waren Exkursionen in der Stadt geplant, um ihre Geschichte und die Bedeutung der Migration kennenzulernen. Aufgrund der oben genannten Umstände konnte das CETI (Centro de Estancia Temporal de Inmigrantes, temporäres Aufnahmezentrum für Immigranten, vergleichbar mit den Landeserstaufnahmestellen in Deutschland) nur kurz von außen besichtigt werden. Professor Dr. Oswaldo Lorenzo, Prodekan der Universidad de Granada in Melilla, führte jedoch eine Exkursion zur marokkanischen Grenze und in die Altstadt durch. Die wechselvolle Historie Melillas ist aufgrund von mehrfachen Eroberungs- und Belagerungsversuchen geprägt von Abschottung und Öffnung. Davon zeugt ihr Ausbau als Festungsstadt mit Bauabschnitten aus drei Epochen. Vor diesem Hintergrund war es faszinierend, zu erleben, dass in Melilla heute vier Weltreligionen (Christentum, Islam, Judentum und Hinduismus) mit jeweils großen Gemeinden friedlich koexistieren und ihre jeweiligen Religionen ausüben.
Am Vorabend zur Konferenz hatte Team Germany zudem Gelegenheit, bei einer von den Gastgebern ausgerichteten Abendveranstaltung einige Jugendliche kennenzulernen, die als unbegleitete Minderjährige nach Melilla gekommen waren und uns ihre Trommelkünste vorführten. Es war beeindruckend, ihr Können zu erleben, und gleichermaßen berührend, zu sehen, wie sie durch die Vorführung ihrer Talente an Hoffnung und Selbstbewusstsein gewannen.
Für uns Kongressteilnehmenden waren jedoch die Eindrücke am Grenzzaun und das omnipräsente Militär in der kleinen Stadt in mehrfacher Hinsicht beklemmend. Zum einen führte es uns vor Augen, was es bedeutet, an einer EU-Außengrenze zu leben und täglich mit dem Prinzip der Abschottung konfrontiert zu werden, was im binneneuropäischen Alltag kaum wahrgenommen wird. Der Umstand, dass während unseres Aufenthalts Geflüchtete in großer Zahl die hohen und mehrfach gesicherten Zäune überwinden konnten, zeigte andererseits, wie mächtig und verzweifelt der Wunsch vieler Menschen aus dem Süden Afrikas nach einer besseren Zukunft in Europa ist. Durch die vielseitigen kongressbegleitenden Aktivitäten wurde das Thema des Kongresses „Migrant identities and cross-border dialogues“ über die Vorträge hinaus auf mehreren Ebenen hautnah vermittelt, was allen Teilnehmenden zeitlebens in Erinnerung bleiben wird.
Text und Fotos: Dr. Monica Bravo Granström, Roswitha Klepser, Dr. Kristin Rheinwald
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