wissenschaft@phw - 02/2022
Wie geht Frieden?
Bei einer dreitägigen Friedenstagung auf dem Martinsberg sprachen Expertinnen und Experten sowie Interessierte aus Wissenschaft und Praxis über die Zusammenhänge zwischen Frieden, Sicherheit und Entwicklung.
Mit der Frage „Wie geht Frieden“ beschäftigte sich Anfang Mai eine dreitägige Tagung der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Weingarten (PH) und Engagement Global auf dem Martinsberg. Frieden und Entwicklung, so die Botschaft, seien neben der Klimakrise die großen globalen Herausforderungen. „Entwicklungspolitik ist Friedenspolitik und ohne nachhaltigen Frieden bleiben Entwicklungsanstrengungen wirkungslos.“ Bei den Planungen der Friedenstagung seien sich die Veranstalter noch nicht bewusst gewesen, welche Brisanz das Thema Frieden im Zuge des Ukraine-Krieges aktuell auch für Europa berge, sagte PH-Professor Dr. Gregor Lang-Wojtasik am Rande der Tagung.
Über das Thema „Frieden im Spannungsfeld zwischen Frieden, Sicherheit und Entwicklung“ tauschten sich Dr. Charlotte Dany (Geschäftsführerin der Friedensakademie Rheinland-Pfalz, Universität Koblenz-Landau), Ralf Becker (Initiative Sicherheit neu denken), Ulrich Hahn (Präsident des deutschen Zweiges des Internationalen Versöhnungsbundes) und Professor Dr. Matthias Rogg (Oberst i. G., Universität der Bundeswehr Hamburg) bei der Friedenstagung aus. Es sei immer wichtig, einander zuzuhören und miteinander zu sprechen, betonte Moderator Christian Braun. Dabei müssten keineswegs am Ende alle einer Meinung sein. Das Podiumsgespräch sei besonders spannend, da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ganz unterschiedliche akademische Hintergründe, Werdegänge und Ansätze hätten.
Das Konzept „Sicherheit neu denken“ biete auch für die Friedenstagung ein ideales Diskussionsangebot, sagte Ralf Becker. Das von einer Expertenarbeitsgruppe drei Jahre lang entwickelte Konzept strebt einen Veränderungsprozess von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik durch deutsche Nachhaltigkeitspolitik bis zum Jahr 2040 an. Die Arbeitsgruppe habe ein Szenario entwickelt, das die Möglichkeiten gewaltfreier Selbstbehauptung einer demokratischen und an den Menschenrechten orientierten Gesellschaft sowie Wege eines mittelfristigen Umstiegs von der militärischen zu einer gewaltfreien Friedenssicherung aufzeige, so Becker. Es gebe bereits viele positive Ansätze einer gewaltfreien Konflikttransformation. Jetzt gelte es, finanzielle Mittel konsequent von militärischer Sicherheitspolitik hin zu ziviler Konfliktprävention und Konfliktbearbeitung umzulenken.
Auf die Problematik der weltweiten Aufrüstung machte Ulrich Hahn aufmerksam. Gewaltlosigkeit müsse Vorrang haben, forderte er. Beim Angriff auf ein Land stehe die Friedensverteidigung im Fokus. Mit gewaltsamen Mitteln lasse sich vielleicht ein Waffenstillstand herstellen, nicht jedoch Frieden und eine dauerhafte Sicherheit für die Menschen.
„Frieden geht nur zusammen“, gab Dr. Charlotte Dany zu bedenken. In Konfliktgebieten arbeiteten verschiedene Akteure und Organisationen mit unterschiedlichen Praktiken, aber gleichlautenden oder ähnlichen Zielen. Dies könne nur funktionieren, wenn Friedensförderung als politische Strategie gesehen werde und alle miteinander kooperierten, um Kräfte zu bündeln. Dabei laufe man auch Gefahr, selbst zur Zielscheibe von Angriffen zu werden. In der Praxis gehe Friedenspolitik mit Sicherheitspolitik einher. Eine Abgrenzung zu militärischen Aktivitäten sei wichtig.
Die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik basiere auf Friedensförderung und Konfliktbewältigung, sagte Professor Rogg. In den 2017 veröffentlichten Leitlinien der Bundesregierung „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ komme auf 160 Seiten 99-mal das Wort Frieden in verschiedenen Kontexten vor. Entwicklungspolitik müsse auf Augenhöhe erfolgen und als Konfliktprävention erkannt werden, so Rogg weiter. Eine nachhaltige Sicherheits- und Entwicklungspolitik brauche einen gut gefüllten Instrumentenkasten mit verschiedenen Mitteln, um unterschiedlich reagieren zu können. Auch die Kulturarbeit spiele eine wichtige Rolle. Prävention habe Vorrang vor militärischer Aktion und Intervention, betonte Rogg. Vorrang bedeute aber keine Ausschließlichkeit. „Wenn das Haus brennt, heißt es Feuer löschen und Menschen retten“, sagte er mit Blick auf den Ukraine-Krieg. „Und in unserem europäischen Haus brennt es.“
Wenn das Haus brenne, sei Besonnenheit geboten, ob man mit Wasser lösche oder Öl ins Feuer gieße, mahnte Hahn. Es sei bedenklich, Recht mit Gewalt durchzusetzen. Man müsse Gewalt verstärkende Aktionen vermeiden, neutrale unparteiische Hilfe geben und Menschenleben schützen, so Dr. Dany. Um aus der gefährlichen Spirale von Gewalt und Gegengewalt herauszukommen, sei es wichtig, dass auch der Westen Fehler eingestehe und Gesprächsangebote mache, betonte Becker. Wenn so viel Vertrauen verspielt worden sei und täglich noch verspielt werde, sei es schwierig, ins Gespräch zu kommen, konterte Professor Rogg. In der Ukraine werde Gewalt auf Menschen ausgeübt. „Es ist ein Angriffskrieg.“ Die Frage bleibe: Lassen wir zu, dass dies so weitergeht, oder greifen wir ein?“
Friedenstag zum Abschluss
Den Abschluss der Friedenstagung bildete am Samstag ein öffentlicher Friedenstag mit einem großen Markt der Möglichkeiten. In Ausstellungen, Workshops und Diskussionsgruppen, an Infoständen und mit vielfältigen Aktionen wurden praktische Friedensansätze dargestellt, diskutiert und anhand praxisorientierter Projekte, Initiativen sowie Akteurinnen und Akteuren der Region aufgezeigt.
Text: Barbara Müller
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